Der Sohn des Hofpächters des Hofes Hengsbach zwischen Eiserfeld und Siegen, Hermann Nieß/Neuß oder Nüß (†1684), beginnt den Bau des Hauses. Nieß hat aus erster Ehe 9 Kinder, verwitwet dann und bekommt mit seiner zweiten Frau (Name unbekannt) noch einmal 4 Kinder. Sein ältester Sohn Georg Nieß (1638–1675) verstirbt sehr früh. Dessen Witwe Anna Margarete (1655–1715), heiratet 1676 zum zweiten Mal, und zwar Johann Jakob Steinseiffer (1637–1705) aus Oberschelden. Beide bringen je ein Kind mit in die Ehe. Es werden weitere 9 gemeinsame Kinder geboren. Sohn Johann Daniel Steinseiffer (1687–1762), der nächste Hausbesitzer, ist mit 11 Kindern ebenfalls sehr kinderreich.

Johann Jakob Wisse (1745–1831) aus Alchen heiratet die Tochter Johann Daniel Steinseiffers, Anna Catharina Steinseiffer d. J. (1740–1814). Er zahlt nach und nach die Erben der Familie Steinseiffer aus und bringt so das Haus in seinen Besitz. Zum Haus gehören landwirtschaftliche Flächen und Haubergsanteile. Johann Jakob Wisse gelingt die Vermehrung seines Besitzes. Er wird zum wohlhabenden und angesehenen Seelbacher, der unter der französischen Verwaltung auch das Amt des „Munzi- palrats“ (Gemeindevorstehers) ausübt. Mit Geschick versteht er es so auch immer wieder, das Los der Seelbacher unter der napoleonischen Besatzung abzumildern. Beträchtliche Steuerzahlungen an die Gemeinden Seelbach, Heisberg, Alchen und Trupbach, auch für angestelltes Personal, belegen seinen Reichtum in den Aufzeichnungen der den Franzosen nachfolgenden preußischen Verwaltung. Er ist im Alchetal eine entscheidende Person. Um 1800 beginnt Wisse den Umbau des Hauses, vor allem im östlichen Teil, also die jetzige Kaffeerösterei. So entsteht der bis heute im Wesentlichen identische Grundriss. Zum Haus gehört auch die an der Stichstraße gegenüberliegende Scheune (heute Wohnhaus Am Ehrenmal 1).

Gerlach Fries (1758–1816) aus Heuslingen, Pächter der Fürstlichen Mühle Seelbach, heiratet Wisses Tochter Gertraut Wisse (1775–1840). So kommt es zur Verbindung der Mühle (die leider zuguns- ten der vierspurigen L 562 im Jahr 1975 abgerissen wird) mit „Wisse“ Haus. Fries hat keinen Besitz in Seelbach. Dessen Sohn Johannes Fries (1798–1868), also der Enkel von Johann Jakob Wisse, erbt das Haus, zieht aber mit seinen jüngsten Kindern in die neuerbaute Wohnung in der Mühle – die Planung dazu erfolgt in „Wisse Haus“. Die Mühle erlangt eine beachtliche Größe und Bedeutung für das westliche Siegerland. Familie Fries in der Mühle bekommt nun den Hausnamen „Melln“ (Müller). Der Hausname Wisse bleibt beim Stammhaus in der Freudenberger Straße. In den Karten aus dieser Zeit ist dem Haus die Hausnummer 1 in Seelbach zugeordnet.

Katharina Fries (1833–1910) erbt das Haus von ihrem Vater Johannes. Sie heiratete Peter Tillmann Weißgerber (1834–1870), mit dem sie vier Kinder hat, die alle ledig bleiben bzw. früh sterben. Der Sohn Albert Weißgerber (1868–1928) wird Hausbesitzer. Da er als Buchhalter der Mühle bei seinem Vetter Karl Fries arbeitet und auch in der Mühle wohnt, hat er keine Verwendung mehr für das Haus und vermietet es 1911 an Paul Böcking (1883–1958) aus „Peeks”, den Uropa von Judith Kathreiner. Paul Böcking ist verheiratet mit Meta Müller aus Seelbach, mit der er drei Söhne und eine Tochter hat.

Paul Böcking kauft nun das Haus mitsamt der dazugehörigen Scheune. Die Scheune verkauft er allerdings während der Inflation Anfang der 1920-er Jahre wieder. Sie wird zum Wohnhaus der Familie Albert Wehler. Albert Weißgerber („Wisse Albert“) behält von 1911 bis 1919 noch ein Zimmer im Haus, das er stets im Urlaub bewohnt – er arbeitet zuletzt als Gießereiingenieur in Euskirchen.

Im April, als die amerikanische Armee in der letzten großen Schlacht des Zweiten Weltkriegs, dem Ruhrkessel, die Wehrmacht in die Zange nimmt und die Kämpfe vom Buberg aus auch in Seelbach schlimme Zerstörung anrichten, wird vor allem der Dachstuhl und der östliche Giebel des Hauses durch Artilleriebeschuss (8–10 Treffer) zerstört und eine Zeitlang unbewohnbar. Mit viel Improvisation wird es in der folgenden Zeit wieder bewohnbar gemacht. Etliche Verwandte und auch zugeteilte Flüchtlinge gehören zu den Mitbewohnern der Familie Böcking in diesen schwierigen Jahren.

Gerhard Böcking (1920–2010) übernimmt das Haus von seinem Vater, nachdem seine beiden älteren Brüder in Russland gefallen sind und seine jüngere Schwester verstorben ist. Gerhard Böcking hat 1949 Hanni Hillnhütter (1927–2017) aus Ferndorf geheiratet und 9 Kinder mit ihr. Das Haus wird immer wieder renoviert und erhält das heutige Aussehen.

Der jüngste Sohn Gerhard Böckings, Martin Böcking (*1960) übernimmt das Haus. Er baut das Dachgeschoss, den „Ollern”, zum Wohnen aus. Die fast über 100 Jahre das Hausbild prägende Linde muss aus Sicherheitsgründen gefällt werden.

Martin Böcking verkauft das Haus an seine Nichte Judith Kathreiner und ihren Mann Björn Kathreiner. Beide planen und bauen das Haus innen um. So entsteht im Erdgeschoss der Umbau zur Kaffeerösterei und im Ober- und Dachgeschoss Wohnungen und Büroräume.

Björn und Judith Kathreiner, Hausbesitzer in der 11. Generation, eröffnen in „Wisse” Haus „Kathreiner’s Kaffeerösterei”, die sie schon seit 2014 in Dreis-Tiefenbach betreiben. Bis in jüngste Zeit hat sich der Hausname „Wisse“ nach dem oben genannten, bedeutendsten Besitzer Johann Jakob Wisse erhalten, und mit vielen aus dem Haus Stammenden geht der Name „Wisse“ bis heute mit.